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Die Liebe zu Festbrennweiten

Warum Festbrennweiten?

Wie die Liebe zum Detail entstand

Statue in Bronze in einem Park in Rorschach in der Nähe des Hafens
Statue in Kupfer aufgenommen mit 85mm Festbrennweite bei Blende 1.4 und Regen

Als ich anfing zu fotografieren, war mein erstes Objektiv ein 28-300 mm Ultrazoom von Tamron - nichts für Lichtschwache Nerven. 

Aber das Objektiv hatte einen Vorteil, es war sehr flexibel, man konnte viele Bildausschnitte aus einer Pose heraus fotografieren und auch die Naheinstellgrenze war fantastisch.

Ich habe damit bestimmt 300 oder mehr Fotoshootings in meinem Fotostudio gemacht. Als ich dann immer mehr Aufträge als Hochzeitsfotograf bekam, wurde mir natürlich klar, dass ich für dieses Thema etwas Lichtstärkeres brauche, um bestehen zu können und den Kunden das zu liefern, was sie verdienen, nämlich Qualität.

 

Gesagt getan, ich kaufte mir das Canon 24-70mm mit einer durchgängigen Lichtstärke von 2,8. Für mich öffnete sich eine neue Welt, ich war fasziniert von dem Spiel zwischen scharfen und unscharfen Bereichen und dem Bokeh, das dadurch entstand. 

 

Was ich aber auch bemerkte, war, dass es schwieriger war, damit bei offener Blende präzise zu fokussieren. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister und nach und nach wurden wir auch in Extremsituationen gute Freunde. 

Die ersten 20 Hochzeiten habe ich nur mit diesem einen Objektiv fotografiert und das Gute daran war, dass am Ende des Tages alle zufrieden waren. 

 

Aber dann habe ich Blut geleckt und ich wusste es wäre doch toll noch eine Ergänzung zu haben von 70mm bis 200mm da gibt es doch was mit der Lichtstärke 2.8 auch durchgehend. Das ist eben das weiße Trümmerteil von Canon, das jedem Hochzeitsgast Respekt einflößt.

 

Heute würde ich es nicht mehr kaufen, aber dazu später mehr.

Das Objektiv hat sich als voller Erfolg herausgestellt, ich konnte damit noch mehr leisten und die Ergebnisse sind nicht besser geworden, aber es ist eine Vielfalt entstanden.

 

Dank der Metadaten konnte ich dann etwa ein Jahr später herausfiltern, welche Brennweiten ich am meisten benutzte.

Das Resultat hat mich dann wenig überrascht: Alles, was praktisch über 135 mm ging, habe ich meist nie benutzt – außer für Detailaufnahmen.

Ach übrigens: Die Naheinstellgrenze bei diesem Teil war wirklich grottenschlecht. Ganze 1,60 Meter musste man dem Motiv entfernt bleiben. Nach dem Motto „Sicherheitsabstand auch bei Objektiven”. Grins! Aber das war halt so und man konnte sich ja daran gewöhnen.

Dafür verwöhnte mich das Objektiv mit einem verhältnismäßig guten Bokeh. Und schwer war das Ding auch noch, fast schon verdrängt nach all den Jahren.

 

Aber was sagte ich eine Zeile zuvor? Richtig, der Mensch ist ein Gewöhnungstier.

Ein guter Fotokumpel hat mir dann mal zu einer Festbrennweite geraten. Heute sagt man dazu Prime.

Da er welche besaß, habe ich mir das mal auf Nikon angeschaut und war begeistert von der Lichtstärke der Objektive.

Aber dass ich mich dazu bewegen musste, hat mir nicht gefallen. Ich war ja jung und faul. Nein, ich war jung und wusste es nicht besser! 

Nach dem ersten Kontakt mit einem Prime verging nochmals etwa ein halbes Jahr. Dann habe ich mir in einem Fotoladen verschiedene Objektive zeigen lassen, darunter 35 mm, 50 mm und 85 mm. Es handelte sich um hochwertiges Glas. Mein Verstand hätte sich eigentlich auf das 85-mm-Objektiv mit einer Lichtstärke von 1,4 konzentrieren müssen, das ist das, was ich gebraucht hätte. Aber irgendwie hat mich das Bokeh des 35mm 1.4 überzeugt.

Der Grund dafür war, dass die Linse bei F1.4 ein sehr schönes Bokeh erzeugt hat. Dazu kam der unverwechselbare Look, den die Linse erzeugt, wenn man ein Porträt macht. Es wirkte auf mich modern und abstrakt. Mein Fotokumpel sagte, das sei nichts für mich, das sei keine Porträtlinse. Doch ich ließ nicht ab und kaufte das Prachtstück.

Ich war 800 CHF ärmer!

 

Ich habe es nie bereut.

Heute bin ich nicht mehr der Einzige, der mit 35-mm-Porträts macht. Damals war das schon noch seltsam. Andere Fotografen haben mich sogar beschimpft, ich hätte keine Ahnung. Aber das hat mich nicht gestört. Ich bin in der Fotografie schon immer meinen Weg gegangen und das werde ich auch weiterhin so machen. 

 

Wir waren frisch verliebt und haben fast täglich miteinander verbracht. Wir haben alles gemeinsam gemacht, auch bei Kundenshootings. Da haben wir dann noch eine Serie mit 35-mm-Objektiv und offener Blende gemacht. Wir haben uns super ergänzt, wir haben alles gemacht, Beautyshots, Headshots, Ganzkörper- und Akt-Shootings. Wir haben uns blind verstanden.

Wir sind sogar zusammen in Urlaub gefahren. Wir haben viele tolle und unvergessliche Momente eingefangen, und auf einmal habe ich gemerkt, dass ich das Zoomen nicht vermisst habe.

Ich habe schnell ein Thermometer geholt und nachgesehen, ob ich Fieber habe.

Glück gehabt, alles in bester Ordnung.

 

Aber langsam plagten mich Fremdgeh-Gedanken. Ich wusste nur noch nicht, wie ich das meiner großen und schweren Liebe beichten soll. Ich habe mir eingeredet, dass diese Gedanken bestimmt wieder verschwinden. Ich habe versucht, sie zu verdrängen, aber leider hat das nicht so richtig funktioniert.

Im Gegenteil, die Gedanken kamen immer öfter.

Ich saß in der Sauna, neben mir in der Tasche meine Liebste. Und ich in Gedanken bei einer noch dickeren 85-mm-Prime-Linse.

Wäre das eine tolle Abwechslung dachte ich mir.

Ich hätte auch gerne eine mit einer Lichtstärke von 1,4.

Ich habe bereits Engel gesehen, die ganz scharf waren. Aber deren Hintergrund konnte ich nicht mehr erkennen, weil er so unscharf war. Ach ja, der war nicht unscharf, sondern hatte ein Bokeh.

Einen Monat später wurde das Sparschwein geschlachtet, die Aktion hätte ich mit einer 1/1000 Sekunde Verschlusszeit festhalten können, so begeistert war ich. 

 

Ich habe es meiner Liebsten gesagt, dass es Zeit ist.

Ich habe die Kamera vom Body abgebaut und sie in die Fototasche gelegt. Ohne Body sah sie wirklich etwas traurig aus, aber da muss sie jetzt durch.

Als nächstes habe ich das 85-mm-Objektiv draufgesetzt. Es war wirklich beeindruckend, wie viel Bokeh und wie scharfe Details man damit bekommt. Alles war solide und sehr geradlinig mit schönen Kontrasten und weichen Übergängen. Der Bildlook war klassisch, aber mit dem gewissen Etwas. Wenn ich die Fotos mir anschaute, bekam ich jedes Mal Gänsehaut, und auch meinen Kunden gefielen die Fotos auf Anhieb.

 

An Hochzeiten sowie Outdoor konnte die neue Dicke wirklich dominieren und so manchen Star beeindrucken. Egal ob in der Kirche oder am Bergsee, der Look passte und wirkte professionell.

Sie setzte allen ein Statement.

Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass ich beide brauchte: meine erste große Liebe und meine neue Affäre. Ob das gut geht?

Ja, das geht sogar wunderbar bei jedem Shooting abwechselnd Set zu Set. Die eine machte tolle Beine und wirkte modern, die andere erledigte ihren Job mit Stil und Eleganz und wirkte dabei stets pittoresk.

 

Aber beide haben was gemeinsam: Sie versprühen einen Hauch von Luxus! Das hat auch das zahlende Klientel gemerkt, als sie sich die Fotos angeschaut haben.

Auch mein Foto-Kollege war von meinen Fortschritten begeistert. Aber ich musste ihm auch sagen, dass es anstrengender ist, zwei gleichermassen zu lieben und zu würdigen und dabei keine zu vernachlässigen. Er erwiderte: „Jetzt fehlt dir noch eine Dritte!” Mein Herz fing an zu rasen und flüsterte ihm zu, es sei die 50-mm-1,4-Festbrennweite. Oh ja, sagte er.

Eine konservative 50-mm-Festbrennweite mit einem tollen lichtstarken Herzen. Beim Wort „konservativ” wuchsen mir schon Rüschen am Hals und ich bekam Nadelstreifen.

Doch etwas traditioneller werden, aufs Alter schadet nicht, dachte ich mir und ging schon mal gedanklich die Liaison ein. Der Bestellvorgang lief irgendwie nicht mehr so reibungslos wie bei den anderen. Ich war immer noch auf der Suche nach dem Vorteil, den ich bei diesem 50-mm-Objektiv hätte.

Der Vorteil liegt wohl irgendwo dazwischen.

 

Ein Jahr später habe ich dann den Versuch gewagt und mir die dritte Prime ins Haus geholt. Damit begann eine intensive Zeit zu dritt abwechselnd und stets mit Fokus auf die Arbeit der Kunden.

Schnell haben wir bemerkt, dass die neue Lady im Bunde doch so einiges an Arbeit erledigen kann. Immer dann, wenn es mit geradem Blick und klarem Blick nach vorne sein muss, spielt sie zuverlässig ihren Trumpf aus. Dabei erledigt sie die Arbeit einfach und ohne dabei Aufmerksamkeit zu erregen.

Der Charakter der Fotos wirkt sehr korrekt und gerade, ohne jegliche Verzeichnungen, das Bokeh einfach cremig und beeindruckend.

Bei diesem Objektiv sind Tradition und Moderne sehr nahe beieinander, es ist für einfach alles zu haben, kann im Notfall alle geliebten Objektive ersetzen, ohne dabei an Qualität zu verlieren. Genau das sind meiner Meinung nach die wahren Qualitäten dieser Linse. Ich kann jedem nur empfehlen, sich dieses Objektiv zuzulegen.

Die 50-Millimeter-Festbrennweite war früher das Standardobjektiv jeder Spiegelreflexkamera und war sogar meist im Set mit dabei. Heute werden solche Kamera-Pakete mit dämlichen Objektiv-Kits verkauft, die absolut keine Freude bei der Fotografie versprühen. 

 

Heute nutze ich eigentlich nur noch diese drei Festbrennweiten und im Fotostudio das 24-105 mm mit durchgehender Blende 4.0. Das 70-200 mm wurde verkauft und wird bis heute nicht vermisst.

Mit zunehmendem Alter versuche ich, die Ausrüstung zu minimieren und dabei die höchstmögliche Qualität zu erreichen, die meine Art der Fotografie erfordert. 

Ich hoffe, ich konnte dir mit meiner Geschichte und meiner Erfahrung weiterhelfen oder dich zumindest zum Nachdenken anregen. Leider gibt es noch nicht das perfekte Objektiv für alles. Mein Traum wäre ein 35 mm bis 150mm Objektiv mit durchgängiger Lichtstärke von 1,4 unter einem Kilo.

Ich muss schon selbst darüber lachen, wenn ich das schreibe. 

 

Zu den Objektiven selbst werde ich später einen sachlicheren und objektiveren Beitrag erstellen, in dem auch Bilder enthalten sind. Selbstverständlich bei offener Blende, wie es sich gehört.

Nun genug geschrieben, das Sandmännchen steht vor der Tür. Ich wünsche euch eine gute Zeit und immer gut Licht.

 

Detailaufnahme eines Porträt. Fotografiert von oben offenblendig mit 100mm und mit Blende 2.8
Detailaufnahme eines Porträt. Fotografiert von oben offenblendig mit 100mm und mit Blende 2.8

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Kommentare: 1
  • #1

    Norbert Noppe (Freitag, 03 Mai 2024 18:48)

    Coole Geschichte ich erkenne mich auch wieder kann aber für jemanden unerfahrenen wirklich ein paar Euro sparen wenn er den Artikel auch liest.

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